
Die Situation projektbezogen angestellter Filmschaffender in der Corona-Krise
Um die Situation von auf Produktionsdauer angestellten Filmschaffenden in dieser unsicheren Zeit abzubilden, wurde die „Umfrage für befristet angestellte Filmschaffende zu Zeiten von Corona“ erstellt.
Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen, welche versprechen Erfolg und was ist wünschenswert für eine Bewältigung der Krise?
Vorweg lässt sich sagen, dass die meisten betroffenen Filmschaffenden im Augenblick von ihren Rücklagen und Arbeitslosengeld I leben. Kurzarbeit wird zwar von vielen Produktionsfirmen zur Entlastung eingesetzt, allerdings meist nur für die Dauer des ursprünglich geplanten Projektzeitraums.
Eine Aufrechterhaltung der projektbezogenen Vertragsverhältnisse über die Zeit der Krise hinweg und damit die Sicherung der Arbeitsplätze ist leider nicht die Regel. Ein klares Signal seitens der Politik, Kurzarbeitergeld zu nutzen, um das Fachpersonal zu binden und Arbeitsplätze langfristig zu erhalten wäre hier wichtig.
1145 Filmschaffende haben sich vom 23.04. – 26.04.2020 an der Umfrage beteiligt. Initiator ist Alexander Spohn, Administrator der Interessengemeinschaft Licht und Bühne München. Sie wurde über soziale sowie branchenbezogene Netzwerke verbreitet. Die Teilnahme erfolgte anonym. Mit den folgenden sieben Punkten erfolgt die Auswertung der Ergebnisse.
1. Zur gegenwärtigen Vertragssituation
Rund ein Viertel (25,8%) der auf Produktionsdauer beschäftigten Filmschaffenden steht derzeit unter Vertrag. 22,1% gaben an, dass ihr zu Beginn des Shutdowns bestehender Vertrag zwischenzeitlich ausgelaufen ist oder noch auslaufen wird. Erfreulicherweise wurden nur 7% aller Verträge gekündigt. Knapp ein Drittel der Teilnehmer (30%) hat eine mündliche Absprache oder ein so genanntes Dealmemo für ein geplantes Projekt. 11,9% haben im Zeitraum der Krise keinen Vertrag.
2. Unterbrochene Projekte
21,7% gaben an, dass ihr Vertragsverhältnis bis zur Wiederaufnahme des Drehs bestehen bleibt. 14,01% der Vertragsverhältnisse werden hingegen nicht aufrechterhalten. Bei 34,4% ist eine Wiederaufnahme des Drehs und somit der Fortbestand des Vertragsverhältnisses noch unklar. Etwa ein Drittel aller Befragten (31,1%) gibt an, dass ihnen frühestens zur Wiederaufnahme des Projekts ein erneuter Vertrag angeboten wird. Bei dieser Frage waren mehrere Antworten zur Auswahl möglich.
3. Vereinbarte Projekte
43,9 % der Teilnehmer werden frühestens zum neuen Startdatum eines zukünftigen Projektes angestellt. 8,1% wurde eine zukünftige Anstellung abgesagt. Zusammengerechnet bricht also über der Hälfte der Teilnehmer zumindest vorerst ihr vereinbartes Projekt weg. Ein kleiner Prozentsatz von 3,7% wird zum ursprünglich vereinbarten Zeitraum regulär angestellt und 16% werden zum vereinbarten Termin in Kurzarbeit genommen.
4. Vertragsverhältnisse
33% geben an, dass die Produktionsfirma nicht darum bemüht sei, das Vertragsverhältnis bis zum Dreh aufrecht zu erhalten. Hinzu kommen 14% bei denen dies im Moment noch unklar ist. Womöglich wird also knapp die Hälfte (47%) der Teilnehmer aus ihrem Vertragsverhältnis ausscheiden. Dagegen stehen 30%, denen der Vertrag erhalten bleibt. 23 % gaben hier “trifft auf mich nicht zu“ an.
5. Gage und Kurzarbeitergeld
17% der Teilnehmer erhalten ihre volle Gage bis zum Vertragsende. 44,2% geben an, eine verminderte Gage zu erhalten und bei 10,9% ist dies noch unklar. 27,9% sind nicht davon betroffen. Kurzarbeit wurde dabei rund der Hälfte (46,6%) der Teilnehmer angeboten bzw. angeordnet. Das Kurzarbeitergeld (KuG) wird an 22% mit einer Aufstockung nach dem Tarifvertrag für Kurzarbeit bezahlt. 15,6% erhalten KuG ohne Aufstockung. Weitere 13,5% gaben an, hierüber keine Vereinbarung getroff en zu haben. Lediglich 15,7% der auf Produktionsdauer Beschäftigten erhalten KuG voraussichtlich bis zur Wiederaufnahme des Drehs. Gut ein Drittel (36,1%) erhält KuG nur für den ursprünglichen Vertragszeitraum und 12,2% gaben „noch unklar“ an. 36% sagen, das dies auf sie nicht zutreffe. Ein Großteil der Betroffenen erhält KuG also voraussichtlich nicht bis zur Wiederaufnahme des Projekts.
6. ALG I und Hartz IV
Daher geben auch 52% der Befragten an, sich während der Krise arbeitssuchend zu melden. Der Großteil (38,8%) mit Antrag auf ALG I. 4,3% beantragen direkt ALGII/HartzIV. Hinzu kommen noch 5,3% die keinen Antrag gestellt haben. Daraus lässt sich schließen, dass viele Betroffene keinen Anspruch auf ALG I haben. Nur 18,7% der Teilnehmer müssen sich nicht arbeitssuchend melden und 28,7% gaben „nicht zutreffend“ an.
7. Finanzielle Situation
58,8% der befristet angestellten Filmschaffenden leben überwiegend von ihren Rücklagen. 49,3% von Arbeitslosengeld I, 24,4% von Kurzarbeitergeld und 10% von ihrem regulären Gehalt. Gut 10% beziehen derzeit Hartz IV oder eine andere Unterstützung. Bei dieser Frage waren mehrere Antworten möglich.
Fazit:
Offensichtlich ist Kurzarbeit in der Filmbranche ein weit verbreitetes Mittel, um den Corona-Shutdown zu überwinden. Die Umfrage zeigt aber, dass noch viele Unsicherheiten herrschen. Entscheidend sind hier die projektbezogenen Verträge. Das arbeitsmarktpolitische Ziel von Kurzarbeit ist unter anderem Produktionsunterbrechungen zu überbrücken. Viele Produktionsfirmen fürchten aber, das Kurzarbeitergeld wieder erstatten zu müssen, wenn sie ihre befristet Angestellten über das Vertragsdatum hinaus beschäftigen. Das erklärt, warum ein großer Teil der Befragten das Kurzarbeitergeld nicht bis zur Wiederaufnahme des Projektes erhält. Hier wäre eine klare Richtungsweisung seitens der Politik sehr wichtig.
Problematisch sind für einige Produktionsfirmen sicherlich die Mehrkosten, die durch die Aufstockung laut dem Tarifvertrag für Kurzarbeit entstehen.
Ähnlich verhält es sich mit in der Branche üblichen, mündlich vereinbarten Projektzusage, sogenannten Dealmemos: oft werden diese Beschäftigungsverhältnisse abgesagt bzw. bei positiver Drehprognose wird der Vertrag frühestens zum voraussichtlichen neuen Drehbeginn angeboten. Fraglich ist allerdings, ob nicht bereits zum ursprünglichen Datum ein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist. Hier bedarf es einer juristischen Klärung.
Aus Sicht der Filmschaffenden wäre es wünschenswert, wenn Kurzarbeit zur Überbrückung bis zum Drehstart deutlich mehr in Anspruch genommen werden würde. Damit würde man auch diejenigen erreichen, die in dieser schwierigen Zeit keinen Anspruch auf ALG I haben. Glücklicherweise gehen einige Produktionen diesen Weg bereits. Die Sender haben ebenfalls Unterstützung für Produktionsausfälle zugesagt. So dürfte auch die Aufstockung in vielen Fällen keine große Hürde mehr darstellen.
Eine klare Befürwortung der Kurzarbeit für die kulturell wichtige Filmbranche seitens der Politik würde den Produktionsfirmen Sicherheit geben und dazu beitragen, langfristig Arbeitsplätze in der Branche zu erhalten. Die auf Produktionsdauer beschäftigten Filmschaffenden behalten ihre Jobs und die Filmproduktionen auch in Zukunft ihre Fachkräfte.
Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Spohn
München, den 05.05.2020